Wird das Haus aus Papier zum Schloss aus Luft?

Das will ich doch nicht hoffen, denn die Idee ist prinzipiell gar nicht so schlecht, wenn es um die schnelle Hilfe in den Krisengebieten dieser Welt geht. Denn mit europäischen Maßstäben muss sich das Haus aus Papier wirklich nicht messen, da Häuser in unseren Gefilden solide gebaut werden müssen, aus Stein oder aus Holz. Punktum! Diese Einstellung haben wohl viele wenn nicht alle Europäer. Ein Papierhaus ist hier kaum vorstellbar. Der Ingenieur Gerd Niemöller zeigt aber, dass es auch anders geht. Zusammen der Bauhaus-Universität Weimar entwickelte er ein einfaches, preisgünstiges und schnell aufzubauendes Haus aus Papier.

Seit März steht ein erstes dieser Häuser aus Papier auf einem Schulgelände im südafrikanischen Kapstadt. Mit 20 Quadratmetern ist es recht klein, aber die Größe spielt hier nur eine unterordnete Rolle. Wichtig waren die Handhabbarkeit und im Endeffekt die Funktion. Das Haus wurde in nur 4 Tagen von 2 Personen errichtet und als Rohstoff für den statisch wirksamen Kern wurde die Zellulose von nur einem Baum verwendet. Wenn das Haus jetzt wirklich die versprochenen 50 Jahre hält, dann kann man hier wirklich von Nachhaltigkeit sprechen!

Doch wie schafft man es überhaupt, mit einem weichem und instabilem Material wie Papier ein Haus zu bauen? Hier wurde wieder einmal die Natur zum Ratgeber. Die Stabilität von Bienenwaben wird ausgenutzt, um dem Papierhaus den notwendigen Halt zu verleihen. Zellulose – also Papier – wird mit Spezialharz verklebt und in Wabenformen gepresst. Diese Waben sind so stabil, dass sie mit einer Rohdichte von knapp 35 kg/m³ über 100 Mittelklassewagen pro Quadratmeter tragen können. Dennoch besteht das Haus aus 90 Prozent Luft. Die Waben werden abschließend mit Dämmung ausgeschäumt und mit einer widerstandsfähigen Folie aus glasfaserverstärktem Kunststoff überzogen.

Die Erfinder schließen zwar nicht aus, dass ihre Häuser aus Papier auch in Europa einen Markt finden, jedoch sind sie zunächst für die Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft in Afrika gedacht. So eignet sich das Baumaterial durch die Wabenstruktur besonders gut für subtropische und tropische Gebiete. Es ist ausgesprochen leicht und formstabil, dabei unempfindlich gegen Witterungseinflüsse, langlebig und im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionselementen äußert preiswert. Zudem wird das Papier durch eine spezielle Beschichtung widerstandsfähig gegen Brandeinflüsse gemacht. Die ausgeschäumten Waben bieten eine sehr gute Dämmung gegen Wärmeverluste oder – in heißen Gegenden – gegen Wärmeeinträge. Auch Erdbeben soll das Papierhaus überstehen können, was eine weitere wichtige Komponente für den Einsatz in vielen Krisenregionen ist.

Aber entpuppt sich das Konzept am Ende vielleicht als ein Weiteres dieser baulichen Luftschlösser, die sich im Ernstfall nicht aufbauen lassen oder sich beim nächsten Windstoß in ihre Einzelteile zerlegen? Von Seiten der Statik kann ich mir hier kein Urteil bilden. Was aber bei solchen Konzepten auch nicht unterschätzt werden darf, sind Fragen nach der Produzierbarkeit und nach der Finanzierung. Hier soll es für die Gewährleistung einer ausreichenden Flexibilität so sein, dass die Waben maschinell vor Ort hergestellt und nur die Rohstoffe geliefert werden. Die Kosten scheinen – wiederum an europäischen Maßstäben gemessen – sehr niedrig zu sein: 4000 Euro pro Haus. Für Afrikaner ist dies aber meist eine unvorstellbar hohe Summe, wodurch eine Finanzierung durch Regierungen oder Hilfsorganisationen als der wirkungsvollste Weg zu bezeichnen ist. Anfang 2009 hieß es bereits, dass die Hilfsorganisation World Vision angeblich den Bau von Siedlungen aus Papierhäusern in Zimbabwe plant und Nigeria 2400 dieser Häuser geordert hat. Neuere Informationen sind jedoch nicht verfügbar. Auch die Internetadresse der Firma von Gerd Niemöller in der Schweiz ist zur Zeit nicht erreichbar.

Bleibt also abzuwarten, ob das Konzept wirklich zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in Krisenregionen führt. Ich drücke auf jeden Fall alle Daumen!


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