Feuilleton meets Wissenschaft

… und was dabei rauskommen kann, präsentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) kürzlich in einem Artikel in ihrer Internetausgabe auf FAZ.net. Der Beitrag beschränkt sich leider nicht auf die Kernaussage „Vollwärmeschutz ist das Gegenteil von Fortschritt“, sondern will den Lesern dieses eigentlich recht angesehenen und geschätzten Blattes auch mit anderen ungewohnt polemischen und wahrheitsfernen Äußerungen weiß machen, dass die Welt ohne Klimaschutz viel besser dran sei.

Lieber Herr Richter, wenn Sie zur Zeit als Feuilletonredakteur im Kunstressort der FAZ sitzen und sich als Kunstgeschichtler, Journalist und Lateinamerikastudierender mit Ihren Zeilen an die Öffentlichkeit wenden, sollte Sie sich auf Themen beschränken, von denen Sie mehr verstehen, als Ihnen durch reines „Hören-Sagen“ zugetragen wurde. Oder Sie sollten einen erfahrenen Kollegen um Rat fragen. Und ich meine damit bestimmt nicht Ihren Co-Autor, Herrn Maak, der über das Thema „Architekten am Strand. Das Objet à réaction poétique im Werk Le Corbusiers und Paul Valérys“ promoviert hat und ihr Chef ist.

Ihr Artikel „Die Burka fürs Haus“ befindet sich inhaltlich durchaus auf dem Niveau der Bild-Zeitung; es fehlen nur Bilder entkleideter Frauen. Ich finde darüber hinaus auch keinerlei Hinweis in Ihrem Artikel, mit denen die dort aufgestellten Behauptungen bestätigt werden könnten. Allerdings sind ist Ihre Satzstrukturen verschachtelter und unüberschaulicher als die der Bild-Zeitung, so dass noch Hoffnung besteht, dass der Großteil der Bevölkerung in Deutschland bereits nach den ersten Zeilen das Handtuch wirft und wieder den Fernseher anmacht.

Sie behaupten zum Beispiel, dass Klimaschutz überbewertet ist, da das Dämmen von Gebäuden der Umwelt schadet und – schlimmer noch – der Psyche des Menschen wegen seiner „Käseglockenwirkung“ nicht zuträglich ist. Wie darf ich denn das bitte verstehen? Fakt ist doch, dass selbst die energiehaltigsten Wärmedämmstoffe mit weitaus weniger Energie produziert werden können, als sie später am Gebäude einsparen helfen. Wir reden hier immerhin über eine Größenordnung von Faktor 50. Haben Sie solch eine Ersparnis schon einmal bei einem der von Ihnen angepriesenen „270 Stundenkilometer schnellen Dinger mit acht Airbags, Internet-Anschluss, Massagesitzen und Infrarotsichtgerät“ gesehen? Im Übrigen ist der Begriff „Stundenkilometer“ physikalisch in diesem Zusammenhang falsch, aber das nur als technische Korrektur am Rande für einen Nicht-Techniker.

Sie wollen also lieber Energie verbrauchen, als diese zu sparen? Weil Sie den künstlerischen Eindruck gedämmter Fassaden nicht ertragen und Ihnen sich der Sinn des Einsatzes von Plastik so gar nicht erschließt. Ganz ehrlich, die Visionen eines Herrn Horzon werden unter keinen Umständen in die Tat umgesetzt. Auch wäre es sicherlich eine Schande, den Berliner Reichstag oder die Alte Oper in Frankfurt von außen zu dämmen.

Doch wenn es nach den von Ihnen gemachten, unhaltbaren Äußerungen ginge, dann sitzen Sie in 50 Jahren (und diesen Zeitpunkt werden Sie aus dem Jahrgang 1973 hoffentlich noch erleben), wenn die meisten fossilen Energieträger verbraucht oder nicht mehr finanzierbar sind, eingehüllt in einen dicken Strickpulli und warme Unterwäsche in einer ungedämmten und verschimmelten Altbauwohnung in einem Berliner Zentralbezirk und sehnen sich die guten, alten Zeiten herbei. Das verspreche ich Ihnen.

Und ich würde mich sehr über ein Gespräch mit Ihnen in 50 Jahren freuen. Dann aber bitte nicht in Ihrer Wohnung, sondern an einem gesundheitlich ungefährlichen und angenehm warmen Ort.


Zurück zur Startseite >>>

Ein Kommentar

Kommentare sind geschlossen.