Was ist eigentlich ein Niedrigstenergiehaus?

Seit es chic ist, energieeffiziente Gebäude sein Eigen zu nennen, wurden ja unzählige Begriffe in den Raum gestellt, welche die Energieeffizienz eines Gebäudes untermauern sollten. Neben dem unseligen „Niedrigenergiehaus“, was nie definiert aber oft verkauft wurde, wären da z.B. die diversen KfW-Effizienzhäuser, das ebenfalls nicht klar definierte 3-Liter-Haus, das Nullenergiehaus (was etwas anderes als ein Nullheizenergiehaus ist und auch nichts mit einem energieautarken Gebäude zu tun hat), das Plus-Energie-Haus etc. Aus Sicht des Marketings ist hier natürlich auch das Passivhaus zu nennen, welches auch durch einige angepasste Randbedingungen in der Berechnung ja sehr gut verkäufliche Energiekenndaten liefert. Wenn man dazu noch die unglaubliche Anzahl weiterer Standards (z.B. Schweiz: Minergie, Österreich: Definition in ÖNORM B 8110-1) im europäischen Ausland berücksichtigt, wird es schnell unübersichtlich.

Nun kommt durch die Neuauflage der europäischen Gebäuderichtlinie ein neuer Begriff ins Spiel: Das Niedrigstenergiehaus. Sucht man eine Definition dieses Begriffs im Internet, so scheitert man an der Vielzahl der verfügbaren Auslegungen. Droht uns also ein zweites „Niedrigenergiehaus“?

Die europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) gibt hier glücklicherweise eine Zielvorgabe, so dass Marktauswüchse einzudämmen sein dürften. Entsprechend der EPBD ist ein Niedrigstenergiehaus:

Ein Gebäude, das eine sehr hohe, … Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden.

Diese Definition klärt zwar nicht alle Zweifel, dürfte das Niedrigstenergiehaus aber wohl irgendwo zwischen Nullenergiehaus und Passivhaus positionieren. Wie man das in der deutschen Politik sieht, werden wir wohl im Jahr 2012 sehen, da die Vorgaben der neuen EPBD ja dann in nationales Recht umzusetzen sind.

Welche Vorgaben eigentlich? An anderer Stelle hatte ich ja einige wesentliche Vorgaben der EPBD schon einmal beschrieben. Was die Niedrigstenergiehäuser angeht, so fordert die EPBD in Artikel 9:

Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass

a) bis 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind und

b) nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, Niedrigstenergiegebäude sind.

Die Mitgliedstaaten erstellen nationale Pläne zur Erhöhung der Zahl der Niedrigstenergiegebäude. Diese nationalen Pläne können nach Gebäudekategorien differenzierte Zielvorgaben enthalten.

Überaus sportliche Ziele also, wenn man in den nächsten rund 10 Jahren vom jetzigen Mindest-Standard gemäß EnEV zum Niedrigstenergiehaus will. Für die Planung wird dies bedeuten, dass:
  • Dämmschichtdicken von 30 cm und mehr obligatorisch werden (auch wenn dies in der praktischen Umsetzung zumindest heutzutage erhebliche Ressentiments hervorruft)
  • Fenster nur noch als Dreifach-Verglasung mit gut gedämmten Rahmenprofilen in Frage kommen
  • zusätzliche Wärmeverluste (der Begriff der Wärmebrückenfreiheit ist ja eigentlich fachlich falsch, obwohl anschaulich) über Wärmebrücken nicht mehr zu tollerieren sind.
  • ein erfolgreicher Luftdichtheitstest in jedem Gebäude zum Standard wird.
  • der Energiebedarf mehr oder weniger vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt wird (den klassischen Gas- oder Öl-Brennwert-Kessel kann man somit dann vergessen).
  • alle Komponenten der Gebäudetechnik ebenfalls hocheffizient ausgelegt sein müssen.
  • wir wohl auf ein Zeitalter der Elektroheizung zusteuern, da sowohl Wind-, Wasser- als auch Sonnenenergie im wesentlichen als Strom bereitgestellt werden können. Daneben bleibt nur die Biomasse (Pellets etc.).
Bleibt zum Schluss noch die Frage, wer diesen Anforderungskatalog bezahlt.


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