Schwimmende Wohnbauten

Für andere ist es einfach nur ein Hausboot. Aber wenn man ein Fachbuch schreibt, dann geht es so profan nicht mehr. Dann muss es ein Schwimmender Wohnbau sein. Eigentlich ist es ja ein interessantes Thema, zu dem der Beuth-Verlag nun auch seinen Beitrag geleistet hat, denn die Anforderungen an die bekannten und nicht schwimmenden Wohnbauten unterscheiden sich von den schwimmenden Artgenossen teilweise gehörig. Aber mehr zu den technischen Details später. Vorher würde ich gerne noch ein Wort zu der ausgefallenen Begründung verlieren, mit der dieses Fachbauch über Hausboote, Verzeihung, Schwimmende Wohnbauten auf der Seite branchendienst.de letzte Woche angepriesen wurde.

Dort steht:

Steigende Meeresspiegel und zahlreicher werdende Hochwasserereignisse bedrohen die wirtschaftlich oft hochentwickelten Küstenregionen und Flussniederungen in vielen Teilen der Welt. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie wachsender Ansprüche und des Wertewandels wird besiedelbares Bauland immer knapper. In manchen Regionen fehlen bereits heute ausreichende urbane Flächen – die Besiedlung der Wasseroberflächen steht an.

Liebe Leute, es geht hier um ein Buch über Hausboote. Nicht um die Lösung aller vom Menschen im letzten Jahrhundert verursachten Probleme in und an der Natur. Lasst doch die Kirche mal im Dorf! Wie bitte begründet denn der demographische Wandel eine Verknappung von Bauland? Und in welchen Teilen der Welt ist der Meeresspiegel schon so weit angestiegen, dass er Küstenregionen bedroht? Davon würden wohl am ehesten die Holländer zu berichten wissen, doch die sind wahrscheinlich noch zu sehr mit der Aufarbeitung ihrer Erfolge bei der Fußball-Europameisterschaft beschäftigt, als dass sie das bisher schon bemerkt hätten. Oder die Polynesier, hier könnte es in den letzten Jahren ein paar versunkene Atollen gegeben haben – aber auch nur, weil die Franzosen nach längerem wieder Atommacht spielen wollten.

Mal im Ernst. Hausboote sind eine tolle Sache, aber die Lösung gegen Überbevölkerung sollte an anderer Stelle gesucht werden. Und wenn ein Deutscher Bauphysiker (oder zwei) ein Buch darüber schreiben, so wird dieses in den Gegenden der Erde, in denen die Menschen wirklich kein Land zum Wohnen mehr bekommen können, bestimmt nicht gelesen. Warum also solch eine Aufmachung? Der Beuth-Verlag geht in seiner Kurzbeschreibung des Buches doch auch sachliche und ausdrucksstarke Wege:

Bautechniker und Bauplaner finden in diesem Praxisband alle wesentlichen bautechnischen Grundlagen zu schwimmenden Wohnbauten. Die Autoren zeigen detailliert und immer nachvollziehbar auf, worauf man bei der Planung dieser besonderen Wohnbauten achten muss.

Und genau darum geht es doch: Wie plane ich ein Hausboot. Im Detail wird dann noch über Aspekte berichtet wie
  • wirtschaftlich-rechtliche Belange,
  • klimatische und wasserchemische Randbedingungen,
  • materialtechnische Untersuchungen und Bewertung,
  • ver- und entsorgungstechnische Probleme,
  • alternative Energien der Ressource Wasser oder eine
  • raumklimatische Quantifizierung schwimmender Häuser.
Alles in Allem also eine runde Sache. Die Autoren beschreiben sowohl Chancen als auch Risiken schwimmender Bauten und geben wertvolle Hinweise für die Planung eines Schwimmenden Wohnbaus. Dabei gibt es einiges zu beachten. Oder haben Sie schon einmal versucht, auf einem Boot einen Hängeschrank in der Waage anzubringen? Und kann eine autarke Energieversorgung nur mit den Energiequellen Sonne und Wasser gesichert werden? Das ist alles gar nicht so einfach. Wohin nicht zuletzt auch mit dem, was der Mensch nicht mehr auf dem Boot gebrauchen kann? Dabei geht es um Müll und natürlich auch um Abwasser. Letzteres kann in einer Recyclingstation an Bord aufbereitet oder in Fäkalientanks gelagert und regelmäßig abgesaugt oder per Schredder und Pumpe in das öffentliche Abwassernetz gepumpt werden.

Trendy ist das Leben auf einem Hausboot allemal. So wurden Schwimmende Wohnhäuser bereits 2008 auf der Fachmesse Boot in Düsseldorf als attraktive Investitionsobjekte angekündigt. Man fühlt sich frei und viel näher der Natur. Doch natürlich muss man für diese Exklusivität der ‚Floating Homes‘ auch ein wenig tiefer in die Tasche greifen. Die Mehrkosten eines Hausbootes zu einem vergleichbaren Domizil auf festem Grund werden mit ungefähr 15% beziffert. Sicherlich ein machbarer Betrag für Menschen, die es sich sowieso leisten können.

In der Nähe von Amsterdam wurden vor nicht allzu langer Zeit 55 Ein- und Mehrfamilienhäuser im ersten schwimmenden Viertel der Stadt gebaut, teilweise auf Betontanks schwimmend, teilweise auf Pfählen gebaut. Die Häuser wurde nicht vor Ort gebaut, sondern in einer Werft, schön auf dem Trockenen, wonach sie schwimmend zum Bestimmungsort gebracht wurden. Stege, in denen auch Versorgungsleitungen für Strom und Wasser integriert sind, verbinden die Hausboote mit dem Festland. Knapp 10 Jahre hat es gedauert bis alle Mietwohnungen, Ein- und Zweifamilienhäuser und sogar Sozialwohnungen nach dem Planungsbeginn verkauft und bezogen waren. Investitionssumme: 14 Millionen Euro. Verkaufspreis für ein freistehendes Einfamilienhaus: 500.000 Euro – und damit nur halb so teuer wie in der Innenstadt von Amsterdam.

PS: Wer es geschafft hat, den Artikel bis hier hin aus Interesse oder Langeweile zu lesen, muss keinen aufklärenden Kommentar zum Unterschied zwischen Schwimmenden Wohnbauten und Hausbooten schreiben. Hausboote sind umgebaute Boote, die ähnlich wie ihre nicht domestizierten Verwandten bewegt werden können. Schwimmende Wohnbauten lassen sich hingegen nennenswert nur in einer Dimension bewegen. Aber ‚Hausboot‘ geht einem als Begriff irgendwie leichter über die Lippen…

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4 Comments

  1. Watzmann said:

    Die Holländer würden wahrscheinlich schwimmende Anhänger bevorzugen.

    20. Juni 2012
  2. Björn said:

    Ich musste an Waterworld beim lesen denken …

    20. Juni 2012
  3. Florian said:

    Ich finde die Idee von Schwimmende Wohnbauten, ach nein Hausbooten, ganz lustig. Allerdings könnte ich mir nicht vorstellen dauerhaft auf so einem Ding zu wohnen.

    20. Juni 2012
  4. Stefan said:

    Watzmann: Wenn dann schwimmende Wohnwagen, bitte!
    Björn: Wahrscheinlich hatte der Typ, der die Buchbeschreibung verfasst hat, den Film gerade gesehen.
    Florian: Ist eben nur für Wasserratten oder solche, die es gerne werden wollen 😉

    20. Juni 2012

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