S(chw)achverständige Sachverständige?

Nachdem ich hier ja in letzter Zeit wenig geschrieben habe, fordert mich eine neue Pressemitteilung trotz Zeitmangel heraus. Diese stammt vom Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS) und kritisiert im wesentlichen die einseitige Ausrichtung der KfW-Förderprogramme zur Energieeinsparung. Was aber in dieser Pressemitteilung steht, lässt eigentlich nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder wir müssen uns ernsthafte Gedanken um die Qualifizierung unserer Sachverständigen machen, oder diese Pressemitteilung hat nie einer vor Veröffentlichung gelesen.

Zunächst einmal sind durchaus begrüßenswerte Inhalte zu finden: Dass ein sinnvolles Energiemanagement viel bringt und deshalb gefördert gehört, unterstütze ich gerne. Dass ferner immer ein Maßnahmenmix das beste Ergebnis hinsichtlich der Energieeffizienz bringt und einseitige Maßnahmen nicht wirklich weiterhelfen, unterschreibe ich auch. So etwas ist mein täglich Brot.

Das war es dann aber auch.

Wie man als Bundesverband von Sachverständigen den folgenden Absatz formulieren kann, ist mir wirklich ein echtes Rätsel:

Die Wärmedämmung von Gebäuden ist nur bis zu einem gewissen Grad gesund: Die Luftzirkulation in einem Haus wird durch Dämmung systematisch verhindert und das Gebäude dadurch hermetisch abgeriegelt. Die Wärme bleibt zwar im Gebäude, Feuchtigkeit kann hingegen nicht mehr entweichen. Die Folge ist im Extremfall die Entstehung von in den Wänden sitzenden Schimmelpilzen, die von Bronchialasthma bis hin zur Infektionskrankheit Mykose lebensgefährliche Erkrankungen auslösen können.

Bei einem unter Ziegelpsychose leidenden Architekten (und die paar ewig gestrigen nerven ja schon genug) hätte ich das ja noch verstanden, aber für einen Bauphysiker ist das ein Armutszeugnis. Folgendes bleibt festzuhalten (solange mir niemand das Gegenteil beweist oder die Physik neu erfindet):
  1. Wärmedämmung auf der Außenseite führt, fachgerecht ausgeführt, IMMER (in Worten: IMMER) zu einer Reduzierung der Gefahr von Feuchteschäden und zu einer erhöhten thermischen Behaglichkeit im Raum. Beides aufgrund der erhöhten Temperaturen der Innenoberflächen.
  2. Wie soll die Luftzirkulation in einem Haus durch Dämmung verhindert werden? Bösartige Dämmschots quer durchs Wohnzimmer? Hinterhältige Dämmschichten im Treppenhaus? Das ist doch Oberriesendoppelmist (um mal Bernd das Brot zu zitieren)!
  3. Durch eine Wärmedämmung auf der Außenseite der Außenwand wird der Feuchtehaushalt eines Gebäudes nicht wesentlich verändert. Die 100 bis 200 g/m² Feuchtigkeit, die bei einer gedämmten Wand weniger das Gebäude verlassen, sind nicht relevant. Bereits ein einziger kurzer Lüftungsvorgang bringt wesentlich mehr Feuchte aus dem Gebäude. WÄNDE SIND MANGELS LUNGE NICHT ATMUNGSAKTIV – im Übrigen genauso wenig wie Jacken oder Handschuhe.
  4. Durch eine fachgerecht geplante Außendämmung entstehen keine Schimmelpilze in der Wand. Sehr wohl aber, wenn eine sinnvolle Sanierung durch die Verunsicherung infolge solcher Pressemitteilungen verhindert wird.
Wie kann man sich freiwillig und ohne Zwang derart disqualifizieren? Dieser Verband repräsentiert die Sachverständigen, die unseren Richtern erklären, wie Bauschäden entstehen? Na, dann Gute Nacht Deutschland und viel Spaß vor Gericht!

Oder hat nur ein recherchefaule PR-ler hier abgeschrieben? Ein ähnlich sinn- und kompetenzfreier Artikel zum Thema Wärmedämmung.

Und im übrigen: Was versteht der Schreiberling unter „chemischen Dämmstoffen“? Solche Suggestionen sind erstens eine Unverschämtheit und zweitens sind auch wir „chemische“ Menschen auf Kohlenstoffbasis. Sind wir deshalb schädlich (Wobei man darüber sogar noch eher diskutieren könnte)?

Der Bundesverband ist hiermit zu einer Stellungnahme aufgefordert!
Ich freue mich darauf.

Dr. Kai Schild

PS: Und ich möchte und werde nicht über Wärmespeicherung und Atmungsaktivität von Wänden diskutieren!

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3 Comments

  1. Andy said:

    Das gibt es doch nicht wirklich, dass Sachverständige von der öffentlichen Meinung abschreiben, die man oft in der Presse – dem sogenannten Qualitätsjournalismus – liest. Die hier genannten Argumente kann ich nur unterschreiben, welche physikalischen Argumente haben die Sachverständige?

    26. November 2011
  2. Stefan said:

    Qualitätsjournalismus? Ja, so was zeigen in diesem Zusammenhang weder FAZ, noch Welt, noch Süddeutsche in der letzten Zeit. Was man bei diesen sonst hoch geschätzten Zeitungen unter journalistischer Recherche versteht, ist für mich nur als Armutszeugnis der betroffenen Journalisten und von deren Chefredakteuren zu werten. Genauso wie auch nun der BVS ein ganzes Heer von Sachverständigen disqualifiziert.

    Eine Antwort bzw. Stellungnahme von Roland Vogel, Präsident des BVS, liegt bis heute übrigens nicht vor.

    27. November 2011

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